„Queering the Museum beinhaltet eine Kritik am Neoliberalismus der Kulturindustrie.“

Die Tiefe Kümmernis im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über LGBTIQ+ und kulturelle Teilhabe in Museen

Im Gegensatz dazu: Was sind deine Strategien, um möglichst viele Leute einzuschließen oder kulturelle Teilhabe zu ermöglichen?

Ich glaube, ein Hinderungsgrund ist das Nichterfahren oder Nichthören von Dingen. Ich habe die Ankündigungen der Führungen über mehrere Kanäle gestreut. Facebook und Instagram haben sich als sehr effizient herausgestellt. Das waren nicht nur meine privaten Facebook- und Instagramkanäle, wo ich als die Tiefe Kümmernis auftrete. Was tatsächlich unglaublich gut funktioniert hat, waren Veranstaltungen der Facebookseite des Museums selbst. Gleichzeitig haben wir es in unser zweimonatlich erscheinendes Vermittlungsprogramm gegeben, das gedruckt und auch als PDF zur Verfügung steht. Alles andere, was PR angeht, haben interessierte Leute mitverantwortet. Das waren kleine Presseberichte, Blogeinträge von Privatpersonen oder kleine Interviews.

Ich glaube, die größte Barriere wäre tatsächlich das Geld. Ich habe da aber nie mit jemandem über freien Eintritt geredet. Es käme sofort die Frage nach der Gegenleistung. Museen sind so durchökonomisierte Betriebe, die finanzielle Geschäftsführung bestimmt alle Prozesse und Abläufe und Programmierung. Eigentlich soll die finanzielle Geschäftsführung nur die Funktionsfähigkeit garantieren. Tatsächlich hat sie aber in allen Museen, die ich kenne, viel mehr Macht, weil sie durch ihre Geldflüsse, durch das Absägen und Neuschaffen von Posten den Inhalt des Museums mitbestimmt. Wenn ich so etwas wie kostenlosen Eintritt oder beim Honorar für meine Drag-Führungen nachverhandeln möchte, muss ich ökonomisch argumentieren. Da geht es leider nur um reine Erlös- und Besucher_innenzahlen. Mit so etwas wie ideellen Werten arbeiten die nicht. Man könnte sagen, dass das Erschließen von neuen Gästegruppen eigentlich etwas wäre, was sich auch kurzfristig ökonomisch rentiert. Davon abgesehen liegt das auch im Bildungsauftrag dieser öffentlichen und steuerlich geförderten Institution. Dieses Argument zieht aber nicht in der heutigen Museumswelt in Wien.

Foto: Marlene Liebhart

Foto: Marlene Liebhart

Man könnte auch sagen, dass ich mit meinen Drag-Führungen einen hohen Öffentlichkeitswert generiert habe. Normalerweise braucht es Ausstellungen, die Hunderttausende von Euro kosten, damit man etwa im Fernsehen oder in der Zeitung einen größeren Beitrag bekommt. Ich habe das nur mit dem normalen Vermittlerhonorar gemacht. Das sind eigentlich riesige Gegenwerte, aber das lässt sich eben leicht unter den Teppich kehren. Diese systematische Geringschätzung hat dafür gesorgt, dass ich mit den Drag-Führungen aufgehört habe. Man rennt ständig gegen ein kaltes, rein ökonomisch denkendes System an. Von diesem bekommt man nicht genug zurück: nicht genug Unterstützung, nicht genug Hilfe, nicht genug Wertschätzung. Da musste ich für mich die Konsequenz ziehen.

Das heißt, du erlebst auf der einen Seite eine Form von kapitalistischer Vereinnahmung, indem du versucht etwas Neues einzubringen, was eben nicht Mainstream ist. Gleichzeitig erlebst du dadurch, wenn auch nicht Ausschluss, so doch institutionelle Reibungen?

Ja.

Was erfährst du in deiner institutionellen Verortung? Das klingt eher danach, dass du viel rein gibst und nicht sehr viel rausbekommst.

Ja, genau. Ich frage mich, ob das ein Charakteristikum queerer, partizipatorischer Arbeit im Kulturbereich im Allgemeinen ist oder ob es nicht viel eher ein Charakteristikum von Arbeitnehmer_innen im Kulturbereich ist. Ist es egal, ob das queere oder nicht-queere Inhalte sind, ob das antirassistische oder politisch aufklärende Arbeit ist? Müssen wir alle damit kämpfen, wenn wir im Kulturbereich arbeiten? Ich habe erkannt, dass auf Tagungen und Konferenzen der Inklusionswert, das Thema Partizipation und der Abbau von Barrieren immer hochgehalten werden und alles dahingehend bewertet und gelesen wird. Im tatsächlichen Museumsbetrieb vor Ort spielt das aber leider eine viel kleinere Rolle.

Persson Perry Baumgartinger, Tiefe Kümmernis ( 2019): „Queering the Museum beinhaltet eine Kritik am Neoliberalismus der Kulturindustrie.“. Die Tiefe Kümmernis im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über LGBTIQ+ und kulturelle Teilhabe in Museen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/queering-the-museum-beinhaltet-eine-kritik-am-kapitalistischen-neoliberalismus-der-kulturindustrie/