5. Reflexion
Das letzte Modell der „Reflexion“ verweist wiederum auf eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Diskursen der Ausstellung und ihren institutionellen Produktionsmechanismen. Insbesondere die 6. Berlin Biennale widmete sich diesem Zugang, indem sie das Anliegen der Ausstellung, eine kritische Wirklichkeitsbefragung von Seiten der Kunst zu setzen, auf das Vermittlungsprogramm übertrug. Neben dem klassischen Führungsprogramm erweiterten insbesondere die „Rückkopplungen“, eine Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, und die Satellitenprojekte von Studierenden des Instituts für Kunst im Kontext den gesellschaftspolitischen Aktionsradius der Ausstellung. So gingen die „Rückkopplungen“ etwa konkret der Frage nach, was Kunstvermittlung beziehungsweise kulturelle Bildung gesellschaftlich leisten kann – und führten dazu zahlreiche Aktivitäten im Berliner Stadtteil Kreuzberg mit vor Ort bereits aktiven Initiativen durch. Ein Projekt aus dem Pool der Satellitenprojekte verschrieb sich hingegen der Selbstreflexion. Unter dem Titel „With Re-Guards“ nahm es die besondere Situation des Aufsichtspersonals unter die Lupe und befragte acht Guards zu ihrer Erfahrung in der Langzeitbetrachtung der Ausstellung. Der im Projekt erarbeitete Kommentar mündete zumeist in eine künstlerische Auseinandersetzung, da viele Aufsichten selbst KünstlerInnen sind und zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts auf Nebentätigkeiten angewiesen sind.
Doch obwohl Aufsichten häufig sehr Kunst-kompetent sind, sich kontinuierlich vor Ort aufhalten, in alle Prozesse der Pflege und Sicherheit der Ausstellung eingebunden sind und den Kontakt zu den BesucherInnen pflegen, werden sie nur allzu selten „gefragt“ und „gehört“. Philipp Wright (1989: 147f.) (* 13 ) geht sogar so weit, die Aufsichten als große ungenützte Ressource des Museums zu bezeichnen („a museum’s single, most significant, wasted asset“). Eine kritische Kunstvermittlung, wie sie im Modell „Reflexion“ zum Tragen kommt, reflektiert im Gegensatz zu einem unhinterfragten Alltagsbetrieb ihre angewandten Formate und ihr alltägliches Handeln selbst stark. Gerade über die Integration wissenschaftlicher, künstlerischer wie politischer Praktiken und durch das Einnehmen kontroverser und herrschaftskritischer Positionen versucht sie innerhalb der Institution für eine reflexive Vermittlungspraxis Sorge zu tragen (Mörsch 2009: 20ff.).
(* 6 ) In diesen Rahmen reiht sich auch eine so genannte künstlerische Kunstvermittlung wie etwa beim Projekt „With Re-Guards“ ein. Im Sinne eines dritten Weges versteht sich künstlerische Kunstvermittlung weder als reine Serviceleistung noch ganz im Dienste des Kunstwerks, sondern als selbst hervorbringende, kreierende Tätigkeit (Maset 2006).
(* 5 )
Luise Reitstätter ( 2013): Verstehen Sie Kunst?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/verstehen-sie-kunst/