„Wir sind offen für alle.“

Das Futurium in Berlin als Erlebnisraum der Zukünfte.
Dr. Christian Engelbrecht im Gespräch mit Katharina Anzengruber und Elke Zobl

Man merkt, wenn du über eure Formate sprichst, dass dem Experimentieren, dem Selber-Tun, dem Partizipativen großer Wert beigemessen wird. Das interessiert uns besonders, weil wir uns in unserem Projekt Räume kultureller Demokratie auch damit beschäftigen, wie Experimentier-Räume, wie experimentelle Vermittlungsräume im Kontext Klimawandel und Nachhaltigkeit, aussehen können. In diesem Zusammenhang würde uns interessieren: Was bedeutet Vermittlung für dich?

Okay, ich versuche mal, ein paar offene Gedanken dazu zu sagen. Wir sind beispielsweise derzeit in einer Arbeitsgruppe zur „Zukunft der Wissenschaftskommunikation“, in der wir mit wichtigen Stakeholdern darüber diskutieren, was wir im Kontext der Wissenschaftskommunikation unter gelungener Partizipation verstehen und welche Aspekte dabei in den nächsten Jahren noch stärker in den Vordergrund rücken müssten. Ein wichtiger Aspekt dabei ist: Partizipation wird oft als Top-Down-Prozess gedacht – wie können daneben auch Bottom-Up-Vorschläge, Teilhabewünsche aus der Gesellschaft berücksichtigt werden? Dazu, was Vermittlung ist, kann ich sagen, was für mich dabei besonders wichtig ist: Wir haben einen Zugang, den Seymour Papert „Lernen durch Begreifen“ genannt hat. „Learning through making“: Das ist bei uns im Futurium Lab der grundsätzliche Zugang, würde ich sagen. Das heißt, auch theoretische Inhalte werden hands-on vermittelt. Die große Diskussion um Umwelt und Energie vermitteln wir konkret mit Hilfe von Exponaten, beispielsweise der senseBox. Mit ihr kann man experimentieren: Feinstaub messen oder – im Bereich Ernährung – ein Gewächshaus der Zukunft mit Feuchtigkeits-Sensoren programmieren. Die Herangehensweise ist sehr spielerisch. Das brauchen wir im Bereich Vermittlung, besonders auch für den Erwachsenen-Bereich, nicht nur für den Familien- und für den Kinderbereich.

Unser wichtigstes Vermittlungsziel ist für uns die Förderung von Future Literacy. Im Deutschen könnte man das Zukunftsgestaltungskompetenz nennen oder die Lesefähigkeit, sich verschiedene Zukünfte mit Hilfe von Fantasie vorzustellen und dadurch die Gestaltbarkeit von Zukünften in den Blick zu nehmen. Das ist ein zentrales Lern- oder Vermittlungsziel, das all unsere Workshops und Veranstaltungsformate, aber auch die Ausstellung prägt. Wir wollen dieses Gefühl vermitteln, dass man als Mensch nicht ohnmächtig den Strukturen und Entscheidungen ausgeliefert ist, sondern oft mehr Handlungs- und Spielräume hat, mehr Möglichkeitsräume – und vielleicht an manchen Stellen sogar mehr, als man sich selbst zugestehen möchte. Diese optimistische Haltung im Sinne von „Es gibt ein Problem und es gibt mindestens drei Lösungen dafür und diese präsentieren wir, davon erzählen wir.“ ist uns – und mir – sehr wichtig. Ansonsten können wir nur immer wieder von Workshop zu Workshop, von Exponat zu Exponat schauen und uns fragen „Was haben wir jetzt diesmal gut gemacht oder schon etwas besser gemacht?“ Wie heißt das bei Samuel Beckett? „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“

Was mir jetzt noch einfällt ist das Prototyping im Sinne von „Erfinde deine Zukunftsidee!“ Ein Aspekt dieses Prototyping ist, dass es eben nicht nur darum geht, wild in einem endlosen Brainstorming herumzudiskutieren und dann sind sich alle mehr oder weniger schnell einig, sondern ganz konkret zu werden und eine konkrete Idee als Prototyp umzusetzen. Das ist bei uns im Vermittlungsbereich auch noch extrem wichtig. Und für Kinder kann dieses Konkret-Werden dann vielleicht ein Stop-Motion-Film sein oder eine gebastelte oder gemalte Zukunftsvision, im Erwachsenen-Bereich kann das noch in ganz andere Richtungen gehen.

Du hast den Aspekt der Partizipation jetzt erwähnt und die verschiedenen Facetten angesprochen. In deinem Vortrag im Rahmen unserer Gesprächsreihe hast du in diesem Zusammenhang von Co-Design-Werkstätten und Ideen-Werkstätten gesprochen, in denen ihr mit Bürger:innen und Expert:innen in co-kreativen und kollaborativen Prozessen zusammenarbeitet. Könntest du uns diese Werkstätten noch einmal skizzieren und vielleicht auch etwas dazu sagen, wo darin Entstehendes hinfließt?

Es fließt in unsere Ausstellung, in unsere Veranstaltungen und in die Entwicklung unserer Exponate ein. Also wir sind in unserem Tun grundsätzlich immer wieder von dem inzwischen schon fast klassischen Format der Zukunftswerkstatt inspiriert. Das ist eine unsere Kernkompetenzen, wenn man so will. Die Ideenwerkstätten – wir nennen sie aber auch Co-Design-Werkstätten, oder Bürger:innenwerkstätten – laufen oft so ab, dass wir von einer bestimmten Herausforderung ausgehen und dazu dann zwei, drei Expert:innen befragen und zum Mitmachen einladen. Diese können aus ganz unterschiedlichen Bereichen sein: Demokratieforscher:innen oder Polarforscher:innen beispielsweise. Wir arbeiten dann zusammen mit einer Gruppe von Bürger:innen, die ihre eigenen Lösungen und ihre eigenen Sichtweisen einbringen, immer auf Augenhöhe in der Diskussion mit Expert:innen, und die wir dann an die Expert:innen zurückspielen, etwas verkürzt gesagt im Sinne von: „Liebe Expert:innen das ist unsere Idee, das sind unsere Interessen, Wünsche und Visionen … “ In solchen Werkstätten können ganz besondere Prototypen entstehen.

In den Denkräumen Mensch, Technik, Natur, steht das zukünftige Verhältnis von Menschen zu diesen drei Bereichen im Mittelpunkt. In je einem Denkraum werden Themen rund um die Schwerpunkte Mensch, Technik oder Natur behandelt. Unter anderem werden dort Fragen zum Wohnen, Arbeiten, Leben in der Zukunft aufgeworfen und ausgehandelt.
Mehr dazu unter: https://futurium.de/de/ausstellung

Christian Engelbrecht, Katharina Anzengruber, Elke Zobl ( 2021): „Wir sind offen für alle.“. Das Futurium in Berlin als Erlebnisraum der Zukünfte.
Dr. Christian Engelbrecht im Gespräch mit Katharina Anzengruber und Elke Zobl. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/wir-sind-offen-fuer-alle/